Übergangs- und Restmandat: Zur Spaltung und zum Untergang eines Betriebes

VonRaphael Lugowski

Übergangs- und Restmandat: Zur Spaltung und zum Untergang eines Betriebes

Das Thema der „Betriebsspaltung“ und das hierauf bezugnehmende Übergangs- und Restmandat des Betriebsrats nach § 21a und § 21b BetrVG hat zuletzt mein Interesse geweckt. Es handelt sich hierbei potenziell um einen rechtlich durchaus anspruchsvollen Komplex, was nicht zuletzt durch die arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen bis hin zur höchsten Instanz belegt wird. Außerdem ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Betriebsrat bei Betriebsspaltungen ein Übergangs- oder Restmandat erhält, für das Bestehen von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten von höchster Relevanz. Grund genug für mich und vielleicht auch für euch, sich diesem interessanten Bereich des Kollektivarbeitsrechts in groben Zügen zu nähern. Der Schwerpunkt meiner Betrachtung liegt dabei auf dem tatsächlichen Vorgang der Betriebsspaltung und dem Untergang von Betrieben.

Spaltung als zentraler Anknüpfungspunkt

Sowohl das legaldefinierte Übergangsmandat nach § 21a BetrVG wie auch das sog. Restmandat nach § 21b BetrVG vermitteln dem Betriebsrat unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, auch wenn in den Betrieb durch den Vollzug einer Spaltung eingegriffen wurde. Unterschiede zwischen Übergangs- und Restmandat ergeben sich nach dem Gesetz nicht nur hinsichtlich der Voraussetzungen; Umfang und Zeitdauer der auszuübenden Rechte divergieren deutlich.

Beim Übergangsmandat nach § 21a Abs. 1 BetrVG führt der amtierende Betriebsrat die Geschäfte für die ihm bisher zugeordneten Betriebsteile im Fall einer Spaltung des Betriebes weiter, soweit die Betriebsteile die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfüllen und nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem ein Betriebsrat besteht. Das Übergangsmandat besteht bis zur Wahl und Bekanntgabe eines neuen Betriebsrates, endet spätestens jedoch 6 Monate nach Wirksamwerden der Spaltung (§ 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG). Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung ist eine Verlängerung um weitere 6 Monate möglich.

Das Restmandat nach § 21b BetrVG ist bei einer Spaltung einschlägig, wenn der Betrieb durch die Spaltung untergeht. Er bleibt so lange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der mit dem Untergang im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich ist.

Übergangs- und Restmandat beschreiben also zwei vollkommen unterschiedliche Konstellationen, knüpfen dabei jeweils an die Betriebsspaltung an. Eine Spaltung kann im Hinblick auf die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ganz unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen, je nach dem, ob ein Übergangs- oder Restmandat besteht. Aufgrund des zentralen Anknüpfungspunktes der Spaltung erscheint es sinnvoll, den tatsächlichen Vorgang der Spaltung rechtlich zu beleuchten und zu hinterfragen, wann von einem Untergang eines Betriebs durch Spaltung auszugehen ist.

Was ist eine Betriebsspaltung?

Eine Betriebsspaltung ist ein tatsächlicher Vorgang, der zu einer Teilung des Betriebs führt. Aus einer ursprünglichen betrieblichen Einheit entspringen zwei neue Betriebseinheiten. Im Zusammenhang mit § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG führte das Bundesarbeitsgericht zur Spaltung aus:

Schon nach dem Wortlaut der Bestimmung setzt der Begriff der „Spaltung“ den Wechsel von einer zu mindestens zwei neuen Einheiten voraus. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist eine Spaltung die Teilung einer zuvor bestehenden Einheit. Es müssen durch sie zumindest zwei Spaltprodukte entstehen. (BAG, Beschluss v. 18.03.2008 – 1 ABR 77/06)

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterscheidet hierbei zwischen einer Aufspaltung des Betriebes und einer Abspaltung von Betriebsteilen, was für die Annahme eines Übergangs- oder Restmandats von größter Relevanz ist. Eine Aufspaltung beschreibt einen Vorgang, bei dem der Ursprungsbetrieb aufgelöst wird, während dieser im Fall einer Abspaltung von Betriebsteilen erhalten bleibt. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Ursprungsbetrieb nach der Spaltung fortbesteht, stellt die Rechtsprechung auf dessen Identität ab. Das betriebliche Substrat, auf das sich die Ausübung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte durch den Betriebsrat bezogen hat, müsse im Wesentlichen auch nach der Spaltung im Sinne eines räumlich und funktionalen Zusammenhangs zum Ursprungsbetrieb gleich geblieben sein. (BAG, Urt. V. 24.05.2012 – 2 AZR 62/11)

Diese Rechtssätze des Bundesarbeitsgerichts werfen gleich zwei Fragen auf: (1) Was kann nach der Spaltung als Ursprungsbetrieb angesehen werden? (2) Wann ist von einem Untergang des Ursprungsbetriebs auszugehen?

„Ursprungsbetrieb“ und räumlich-funktionaler Zusammenhang

Einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt für den Begriff des „Ursprungsbetriebs“ gibt es nicht. Das Betriebsverfassungsgesetz unterscheidet lediglich zwischen Betrieben und Betriebsteilen. Die Unterscheidung wird auch in § 21a BetrVG bemüht. Vor der Überholung des Betriebsverfassungsgesetzes gab es noch den Nebenbetrieb. Weiterführend ist in diesem Zusammenhang, sich die allgemeine Definition eines Betriebs zu vergegenwärtigen und zum Betriebsteil abzugrenzen:

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Betrieb eine organisatorische Einheit, innerhalb derer Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke durch Zusammenfassung von materiellen und immateriellen Betriebsmitteln verfolgen. Die Arbeitskraft wird dabei von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert. Ein Betriebsteil fördert dabei den arbeitstechnischen Zweck des (Haupt-)Betriebs und ist organisatorisch in dessen Abläufe eingegliedert, weist auf der anderen Seite aber auch eine gewisse organisatorische Selbständigkeit auf (BAG, Urt. v. 07.05.2008 – 7 ABR 15/07).

Der Ursprungsbetrieb ist vor diesem Hintergrund am ehesten mit dem Hauptbetrieb vergleichbar, da der Hauptbetrieb regelmäßig das betriebliche Substrat prägt. Das Bundesarbeitsgericht stellt im Kontext eines Betriebsuntergangs durch Spaltung auf den räumlich-funktionalen Zusammenhang der verbleibenden Einheit im Verhältnis zum Ursprungsbetrieb ab. Und das ist meines Erachtens konsequent: Wenn nach der Spaltung eine organisatorische Einheit den gleichen arbeitstechnischen Zweck unter einheitlicher Leitung verfolgt wie zuvor auch, ist jedenfalls von keinem Betriebsuntergang durch Spaltung auszugehen. Dann hat sich der Betrieb, so wie er einmal war, im Wesentlichen nicht verändert. Das Erfordernis des räumlichen Zusammenhangs kann dabei aus meiner Sicht nur als Nebenerwägung von Bedeutung sein. Im Zuge betrieblicher Umstrukturierungen können durchaus räumliche Veränderungen in Kraft treten, die aber das betriebliche Substrat nicht berühren. Erst anhand des funktionalen Kriteriums kann eine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Betrieb untergegangen ist.

Kann Spaltung überhaupt zum Untergang eines Betriebs führen?

Doch ist wirklich jeder hinreichend räumlich-funktionale Zusammenhang mit dem Ursprungsbetrieb für den Fortbestand des Betriebes ausreichend? Wie sind z.B. die Fälle zu beurteilen, in denen der Betrieb nur mit einem Bruchteil der ursprünglichen Belegschaft fortgeführt oder die ursprüngliche betriebliche Zielsetzung nur noch eingeschränkt verfolgt wird? Es scheint Stimmen zu geben, die einen Betriebsuntergang nur im Fall einer (endgültigen) Stilllegung praktisch für möglich erachten. Teilstilllegungen führen insofern zum Betriebsuntergang, als der Betrieb hierdurch betriebsratsunfähig wird (vgl. Arbeitsrecht, Kollektivarbeitsrecht, Preis, 4. Auflage 2017, § 146 Rn. 1908). Umgekehrt könnte damit die Auffassung einhergehen, dass bei einer Spaltung ein Untergang des Betriebes praktisch ausgeschlossen ist, solange die Betriebsratsfähigkeit erhalten bleibt; ohne jemandem diese Konsequenz in den Mund legen zu wollen.

Exkurs: Die Stilllegung eines Betriebsteils stellt keine Betriebsspaltung dar, die zu einem Übergangs- oder Restmandat führen würde. Nähere Informationen hierzu: (1) BAG, Urt. v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11 (2) BAG, Beschl. v. 18.3.2008 – 1 ABR 77/06.

Das Bundesarbeitsgericht vertritt hier einen differenzierten Standpunkt und schließt einen spaltungsbedingten Untergang nicht kategorisch aus. Mehr noch, es prüft explizit, ob das betriebliche Substrat nach der Spaltung erhalten geblieben ist und ein räumlich-funktionaler Zusammenhang zum Ausgangsbetrieb noch besteht.

Nach meinem Dafürhalten ist auch bei einer Spaltung des Betriebes stets im Einzelfall zu prüfen, ob der Ausgangsbetrieb nicht durch die Spaltung untergegangen ist. Es mag sein, dass in der Regel nur Betriebsstilllegungen einen Betriebsuntergang zur Folge haben. Doch keine Regel ohne Ausnahme, wesensverändernde Umstrukturierungen sind auch bei einer Spaltung grundsätzlich denkbar und können die „organisatorische Einheit“, die einmal war, auseinanderdividieren. Zu fordern sind in diesem Zusammenhang aber durchaus tiefgreifende betriebliche Veränderungen, die sich z.B. nicht lediglich in einer leichten Modifikation des ursprünglichen arbeitstechnischen Zwecks erschöpfen dürfen. Denn dem Arbeitgeber ist es kraft seiner unternehmerischen Freiheit unbenommen, betriebliche Änderungen beispielsweise durch grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation (§ 111 S. 3 Nr. 4 Var. 1 BetrVG) vorzunehmen, ohne dass damit automatisch ein Betriebsuntergang einhergehen würde. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass der arbeitstechnische Zweck in einer das betriebliche Substrat ersetzenden Art und Weise umgestaltet wird. Ein Betriebsuntergang ist dann gegeben, wenn überhaupt kein funktionaler Zusammenhang zum Ausgangsbetrieb mehr verbleibt. Wie stark der funktionale Zusammenhang im Übrigen sein muss, soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Daneben muss meiner Meinung auch der Wegfall des einheitlichen Leitungsapparates oder auch die Zuordnung zu einem anderen Leitungsapparat auf einer anderen betrieblichen Ebene bei der Beurteilung eines Spaltungsvorgangs besondere Beachtung finden. Durch den Wegfall des ursprünglichen Leitungsapparats ändert sich in der Regel die organisatorische Selbständigkeit erheblich. Denkbar ist in diesem Zusammenhang ein stufenweises Aufeinanderfolgen von Spaltung und Zusammenlegung. Der Arbeitgeber könnte sich dazu entschließen, einen ursprünglichen Hauptbetrieb in der Zukunft nur noch als Betriebsteil zu betreiben.

Fortbestand der organisatorischen Einheit aus Sicht des Betriebsrates

Entsprechend zu diesen Überlegungen besteht auch das Betriebsratsmandat nicht ungeachtet der betrieblichen Ereignisse. Betriebsräte werden für einen ganz bestimmten betrieblichen Zuschnitt gewählt. Hierauf bezieht sich das nach demokratischen Grundsätzen übertragene Mandat. Es kann unter Umständen hilfreich sein, in Zweifelsfällen eine Betriebsspaltung auch aus der Warte des Betriebsrats zu beurteilen. Diesbezüglich ist zu fragen, ob die Legitimation zur Vertretung (auch) der Arbeitnehmerinteressen auch nach der betrieblichen Umgestaltung noch gegeben ist. Es kann außerdem hilfreich sein, danach zu fragen, ob der Betrieb als organisatorische Einheit auch aus Sicht des Betriebsrats noch fortbesteht und die bisweilen errungenen kollektiv-rechtlichen Regelungen auch im veränderten betrieblichen Regime noch Gültigkeit haben oder Sinn machen.

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