Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag darf Mindestlohn nicht erfassen

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VonRaphael Lugowski

Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag darf Mindestlohn nicht erfassen

Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes diskutierten Rechtsanwälte wie Arbeitsgericht lebhaft darüber, ob eine arbeitsvertragliche Ausschlussklausel den Mindestlohn ausnehmen muss. Das Bundesarbeitsgericht hat nun eine klare Position bezogen und geurteilt, dass Ausschlussregelungen den Mindestlohn nicht erfassen dürfen. Wenn Arbeitgeber diese rechtliche Maßgabe bei der Formulierung von Ausschlussfristen nicht beachten, hat diese Versäumnis die Unwirksamkeit der gesamten Klausel zur Folge. Dies wiederum führt dazu, dass Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis nicht nach Ablauf von üblicherweise drei Monaten verfallen.

Vermeintlich verspätete Geltendmachung der Urlaubsabgeltung

In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung verfallen ist. Im Rahmen eines zuvor geführten Kündigungsrechtsstreits einigten sich die Arbeitsvertragsparteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. August 2016. Das Arbeitsverhältnis sollte nach dem Inhalt des Vergleichs bis zum 15. September 2016 ordnungsgemäß abgerechnet werden. In der abschließenden Abrechnung war eine Abgeltung des bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaubs nicht aufgeführt. Dies veranlasste den Arbeitnehmer zur Einreichung einer erneuten Klage – diesmal gerichtet auf die Zahlung der Urlaubsabgeltung.

In dem neuerlichen Verfahren machte der beklagte Arbeitgeber vor den Arbeitsgerichten geltend, dass der Anspruch auf die Urlaubsabgeltung verfallen sei. Diesen Standpunkt begründete er mit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel, wonach Ansprüche innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden müssen. Andernfalls verfallen sie.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat der Klage des Arbeitnehmers stattgegeben. Auf die Berufung des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht Hamburg die Klage abgewiesen. Die Frage der Wirksamkeit der Klausel wurde also von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage letztlich als begründet angesehen.

Bundesarbeitsgericht: Ausschlussklausel hält AGB-Kontrolle nicht Stand

Nach Auffassung des BAG verstößt die Regelung, wonach Ansprüche 3 Monate nach Fälligkeit bei fehlender schriftlicher Geltendmachung verfallen, gegen § 3 Satz 1 MiLoG. Danach sind Vereinbarungen unwirksam, soweit sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken bzw. ausschließen. Nun hat der Arbeitgeber in diesem konkreten Fall aber den Anspruch auf Mindestlohn nicht ausdrücklich beschränkt. Er hat aber unterschiedslos alle Ansprüche, d.h. auch solche auf den gesetzlichen Mindestlohn, unter den Geltungsbereich der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist gestellt. Wenn die Ausschlussregelung nach dem Willen des Arbeitgebers nicht etwaige Ansprüche auf den Mindestlohn erfassen sollte, hätte der Arbeitgeber den Mindestlohn ausdrücklich von der Regelung ausnehmen müssen. Weil er das nicht getan hat, ist seine Regelung intransparent und hält einer AGB-Kontrolle nicht stand (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das zumindest meint das Bundesarbeitsgericht.

Die Entscheidung begegnet allerdings rechtlichen Bedenken. Denn der § 3 Satz 1 MiLoG bestimmt: Vereinbarungen, die den Mindestlohn oder seine Geltendmachung beschränken, sind nur „insoweit unwirksam“. In Anbetracht dieses Wortlauts gibt es Stimmen, die in Fällen dieser Art nur eine teilweise Unwirksamkeit angenommen haben. Nämlich nur insoweit, als solche Ausschlussregelungen sich auch auf den Mindestlohn beziehen. Im Übrigen, so die Argumentation, sei die Regelung wirksam. Zudem ist seitens des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass Ausschlussfristen auch dann nicht gänzlich unwirksam sind, soweit es um eine Haftung aus einer Vorsatztat geht und diese nicht ausdrücklich ausgenommen wurde. Denn die Annahme, die Arbeitsvertragsparteien wollten mit einer Ausschussklausel zwingende gesetzliche Ansprüche und Maßgaben unterlaufen, liege in solchen Konstellationen fern.

Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, wäre die vom Bundesarbeitsgericht zu begutachtende Regelung wirksam. Es ging in der Sache namentlich nicht um einen Lohnanspruch, sondern um einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung – § 3 Satz 1 MiLoG ist also gar nicht betroffen.

Unwirksame Ausschlussklauseln ein Segen für Arbeitnehmer?

Für die Arbeitnehmer hat das Urteil weitrechende Konsequenzen. Es finden sich in zahlreichen Arbeitsverträgen Ausschlussklauseln, die den Mindestlohn nicht ausnehmen. Dies hat zur Folge, dass Arbeitnehmer ihre Ansprüche gegen den Arbeitgeber bis zur Grenze der Verjährung geltend machen können. Auf der anderen Seite bedeutet die Entscheidung des BAG aber auch: Arbeitgeber können gleichsam Ansprüche gegen Arbeitnehmer bis zur Verjährung anmelden. Die Entscheidung ist daher auf den ersten Blick ein Segen für den Arbeitnehmer, kann sich im Einzelfall aber auch nachteilig auswirken.

Daneben gibt es in der Praxis noch einige weitere „Fehlerklassiker“, die zur Unwirksamkeit von Ausschlussklauseln führen können:

  • Die Ausschlussklausel ist kürzer bemessen als 3 Monate
  • Die Ausschlussklausel bezieht sich nur auf Ansprüche von Arbeitnehmern (Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers)
  • Für den Beginn der Ausschlussfrist wird nicht der Zeitpunkt der Fälligkeit bestimmt, sondern allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Unangemessene Benachteiligung)
  • Für die Geltendmachung der Ansprüche ist Schriftform vorgesehen statt Textform (Abweichung von § 309 Nr. 13 lit b) BGB)

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