Das Bundesarbeitsgericht musste sich zuletzt mit der Reichweite der Regelungssperre aus § 77 Abs. 3 BetrVG befassen. Die Betriebsparteien hatten in einer Betriebsvereinbarung die Höhe von Gehältern der Beschäftigten in Abhängigkeit von Tarifen geregelt. Das Problem dabei war, dass ein einschlägiger Tarifvertrag existierte und zur Unwirksamkeit zur Betriebsvereinbarung führte. Nach Ansicht des Gerichts kam eine Umdeutung der unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage des Arbeitgebers nicht in Betracht.
In der Sache ging es um einerseits um Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer Differenzvergütung für die Monate August 2015 bis Mai 2016. Die Beklagte ist ein Unternehmen aus dem Einzelhandel mit Logistik und Lager in Hamburg. Der Kläger war dort als Lagerist beschäftigt.
Die Beklagte war bis April 2008 Mitglied im Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. Dieser hat mit ver.di Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel geschlossen. Es gab unter anderem auch einen Gehaltstarifvertrag, in dem gemäß dem Manteltarifvertrag Mindestsätze für die Entgelte festgesetzt werden. Die Betriebsparteien schlossen im Jahr 1997 dann aber eine Betriebsvereinbarung zur Schaffung eines eigenen Gehalts- und Arbeitszeitsystems. Dieses sah unter anderem bei den Gehältern eine „Mindesthöhe über den jeweiligen Hamburger Tarifen“ im Umfang von 200 bis 500 DM sowie eine entsprechende Erhöhung in Anlehnung an die zukünftigen Tariferhöhungen vor. Die Gehaltsgruppen G0 bis G4 haben die Betriebsparteien in der Vereinbarung im Einzelnen festgelegt.
Im Dezember 2014 kündigte die Beklagte die Betriebsvereinbarung. Sie teilte außerdem gegenüber dem Betriebsrat mit, die künftigen tariflichen Entgelterhöhungen ab dem 1. August 2015 deshalb nicht mehr an die Mitarbeiter weitergeben zu wollen. Dies hat der Kläger im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern, die Ablösungsvereinbarungen unterzeichnet hatten, nicht hingenommen. Er hat die Differenzvergütung eingeklagt und war im Hinblick auf diesen Streitgegenstand vor den Gerichten nicht erfolgreich. Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg richtete sich seine Revision vor das Bundesarbeitsgericht.
Das Bundesarbeitsgericht erachtete die Revision des Klägers in seinem Urteil vom 23.01.2018 als unbegründet. Es sah die Betriebsvereinbarung zur Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems als unwirksam an, da die Betriebsparteien die Regelungssperre nach § 77 Abs. 3 BetrVG nicht beachtet hätten. Diese Regelung besagt, dass Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Sofern also ein einschlägiger Tarifvertrag existiert und der Betrieb in den Geltungsbereich fällt, können die Betriebsparteien über einen Regelungsgegenstand nicht mehr frei disponieren.
So lag der Fall hier. Der Lagerbetrieb fiel räumlich, betrieblich und fachlich in den Geltungsbereich des Gehaltstarifvertrages für den Hamburger Einzelhandel. Dort waren bestimmte Gehaltssätze in Abhängigkeit von einzelnen Gehaltsgruppen festgelegt. Die Betriebsparteien indes haben eigene Gehaltsgruppen festgelegt und darüber hinaus auch ein System der Gehaltssteigerung etabliert, das sich an den Tariferhöhungen orientierte. Die von Betriebsrat und Arbeitgeber definierten Lohn- und Gehaltsgruppen enthielten zudem ähnliche Tätigkeitsmerkmale wie die Gehaltsgruppen in dem einschlägigen Tarifvertrag.
Alles in allem hätten die Betriebsparteien damit eine Regelung über tarifliche Arbeitsentgelte getroffen und ihre Regelungskompetenzen überschritten, so das Gericht. Die Regelungssperre nach § 77 Abs. 3 BetrVG sei nicht dadurch aufgehoben worden, dass der Arbeitgeber aus dem Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. ausgetreten ist. Auf eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers komme es nicht an. Auch handele es sich nicht um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 BetrVG, die eine „weichere“ Regelungssperre vorsieht und den Betriebsparteien mehr Möglichkeiten einräumt. Die Höhe des Entgelts sei nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
Die von den Betriebsparteien abgeschlossene Betriebsvereinbarung hat das Gericht daher für unwirksam befunden.
Der Kläger hat in dem Prozess argumentiert, der beklagte Arbeitgeber hätte mit der Betriebsvereinbarung zugleich eine Gesamtzusage erteilt. Jedenfalls sei die Betriebsvereinbarung in eine solche Zusage nach § 140 BGB umzudeuten. Diesem Gedanken hat das Bundesarbeitsgericht aber eine Absage erteilt.
Bei einer Gesamtzusage handelt es sich um eine verpflichtende Erklärung des Arbeitgebers an alle bzw. an eine Vielzahl von Arbeitnehmern, eine bestimmte Leistung erbringen zu wollen. Sie setzt also einen Rechtsbindungswillen des Arbeitgebers voraus und führt dazu, dass der versprochenen Leistung ein Anspruch der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag gegenübersteht.
Eine unwirksame Betriebsvereinbarung könne aber nach der ständigen und auch hier aktualisierten Rechtsprechung nicht automatisch in eine Gesamtzusage umgedeutet werden. Die Betriebsvereinbarung sei nämlich ein kollektiv-rechtliches Gestaltungselement, das in seiner Wirkung Besonderheiten ausweist. Das Gericht weist in seiner Urteilsbegründung darauf hin, dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung in der Regel jederzeit lossagen könne. Bei einer Gesamtzusage sei das nicht möglich, da sie Bestandteil des Arbeitsvertrages eines jeden Mitarbeiters wird. Eine Änderung von arbeitsvertraglichen Regelungen sei nur einvernehmlich oder mittels einer Änderungskündigung möglich. Nicht zuletzt aus diesem Grund könne ein Verpflichtungswille der Arbeitgeberseite in aller Regel nicht angenommen werden. Vielmehr müssten zusätzliche Umstände hinzutreten, die auf einen entsprechenden Bindungswillen des Arbeitgebers schließen lassen. Daran fehlte es vorliegend. Hieran änderten auch die Bestimmungen in der Präambel nichts, da sie nur Rückschlüsse auf den Bindungswillen zulassen, nicht hingegen den Rechtsbindungswillen unmittelbar tragen.
Der Kläger hat darüber hinaus auf der Grundlage der (unwirksamen) Betriebsvereinbarung Urlaubs- und Weihnachtsgeld eingeklagt. Während das Arbeitsgericht die Klage insgesamt, also auch im Hinblick auf die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, abgewiesen ist, hat das Landesarbeitsgericht Hamburg der Klage zumindest insoweit stattgegeben. Hiergegen legte die Beklagte Revision ein und war vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich.
Die Begründung des Bundesarbeitsgericht, weshalb dem Kläger auch kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld zusteht, ist unmittelbar einleuchtend. Der Kläger stützte diese Zahlungsansprüche auf die Betriebsvereinbarung. Diese hält das BAG aufgrund der Überschreitung der Regelungskompetenzen insgesamt für unwirksam, weshalb es auch keine Rechtsgrundlage für die vorgenannten Ansprüche sah. Die Regelungen zu den Gehaltsgruppen sei mit den Bestimmungen zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld derart verzahnt gewesen, dass von einer vollständigen Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung auszugehen sei. Eine teilweise Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung könne nicht vertreten werden, so das Gericht weiter. Die Regelungen zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld nehmen nach Auffassung des Gericht das Gehalt gemäß der Betriebsvereinbarung unmittelbar in Bezug. Die Wirksamkeit der Regelungen zu den Sonderzahlungen sei daher nicht sinnvoll denkbar.
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