Kündigungsbefugnis und richtiger Klagegegner in der Insolvenz

VonRaphael Lugowski

Kündigungsbefugnis und richtiger Klagegegner in der Insolvenz

Insolvenzrechtliche Themen begegnen mir bei meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt im Arbeitsrecht in aller Regelmäßigkeit. Sobald ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist, müssen einige insolvenzrechtliche Besonderheiten beachtet werden. Die erfolgreiche Bearbeitung von arbeitsrechtlichen Mandaten in der Insolvenz erfordert dabei nicht die Teilnahme an dem Fachanwaltslehrgang für Insolvenzrecht. Einige „Basics“ müssen aber zumindest beherrscht werden, um eine sachgerechte Begleitung des Mandats sicherzustellen und Haftungsfallen zu umgehen. Die notwendigen prozessualen Grundlagen im Individualarbeitsrecht möchte ich in einer kleinen Beitragsserie vermitteln, bevor ich mich später den kollektivrechtlichen Eigenheiten widme. Der hiesige Beitrag befasst sich mit den Themen, wer in der Insolvenz kündigungsbefugt ist und, damit korrespondierend, gegen wen geklagt werden kann.

Kündigungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters

Für die Beantwortung der Frage nach der Kündigungsbefugnis und der Passivlegitimation müssen die einzelnen Phasen eines insolvenzrechtlichen Verfahrens in der Einleitungsphase auseinandergehalten werden. Die erste Stufe bildet dabei der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 13 Abs. 1 S. 1 InsO. Antragsberechtigt sind sowohl die Gläubiger als auch der Schuldner, § 13 Abs. 1 S. 2 InsO. Das Insolvenzverfahren wird eröffnet, wenn ein Eröffnungsgrund (§§ 16 ff. InsO) gegeben ist und das Vermögen des Schuldners ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken (§ 26 InsO).

Nach § 21 Abs. 1 S. 1 InsO hat das Insolvenzgericht in der zweiten Stufe alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um bis zur Entscheidung über den Antrag die Gläubiger nachteilige Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 InsO kann es insbesondere einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Sobald ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt ist, muss ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, mit welchen Rechten und Pflichten der Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht ausgestattet wurde. Hiernach beurteilen sich seine Befugnisse zum Ausspruch von Kündigungen und auch seine Passivlegitimation. Das Insolvenzgericht hat nach § 22 Abs. 1 S. 1 InsO z.B. die Möglichkeit, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen. Die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters bemisst sich in diesem Fall nach Maßgabe der § 22 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1-3 InsO. Ohne in diesem Zusammenhang an sprachliche Vorgaben in der Insolvenzordnung anzuknüpfen, wird ausgehend von dem Umfang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters im insolvenzrechtlichen Sprachgebrauch zwischen dem „schwachen“ (1), dem „halbstarken“ (2) und dem „starken“ (3) vorläufigen Insolvenzverwalter unterschieden.

(1) „Schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter

Der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht kündigungsbefugt. Er tritt nicht in die Arbeitgeberstellung des Insolvenzschuldners ein, da das Gericht dem Schuldner in dieser Konstellation kein allgemeines Verfügungsverbot nach § 22 Abs. 1 S. 1 InsO auferlegt hat. Der Schuldner bleibt weiterhin kündigungsbefugt, das Gericht bestimmt Umfang der Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters. Diese dürfen nicht über die Pflichten eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Fall eines allgemeinen Verfügungsverbots hinausgehen, § 22 Abs. 2 S. 2 InsO.

Das Gericht kann aber unter anderem einen Zustimmungsvorbehalt für Kündigungen durch den Insolvenzschuldner gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO statuieren. Die Wirksamkeit der Kündigung durch den Schuldner würde in einem solchen Fall von der Zustimmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abhängen. Wird die Kündigung mit Einwilligung (§ 183 S. 1 BGB) des vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen, ergeben sich für den Kündigungsempfänger prozessuale Möglichkeiten: Bei fehlender Vorlage der schriftlichen Einwilligung kann die Kündigung nach §§ 182 Abs. 3 i.V.m. § 111 S. 2 und 3 BGB unverzüglich zurückgewiesen werden (vgl. auch BAG, Urteil v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01). Die Kündigung wird dadurch trotz Bestehens einer Einwilligung unwirksam.

Exkurs: Wie beschrieben, kann das Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO anordnen, „dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind“. Es gibt die vorherige Zustimmung (Einwilligung, § 183 S. 1 BGB) und die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung, § 184 Abs. 1 BGB). Die Möglichkeit der Zurückweisung besteht nur dann, wenn eine Einwilligung des vorläufigen Insolvenzverwalters tatsächlich vorlag, der Schuldner dem Kündigungsempfänger jedoch keine verschriftlichte Einwilligung vorlegen konnte. Wie ist es aber rechtlich zu beurteilen, wenn der Schuldner ohne Einwilligung des vorläufigen Insolvenzverwalters kündigt? Der Wortlaut des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO könnte sowohl die Einwilligung als auch die Genehmigung meinen. Ist aber eine nachträgliche Genehmigung bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses überhaupt möglich? Daran könnten Zweifel bestehen, da die Kündigung als Gestaltungsrecht bedingungsfeindlich ist. Wird die Kündigung durch den Insolvenzschuldner in Arbeitgeberstellung unter der Bedingung ausgesprochen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter seine (nachträgliche) Zustimmung erteilt, ist die Kündigung grundsätzlich als nichtig anzusehen. Einseitige empfangsbedürftige Rechtsgeschäfte können im Grundsatz nur mit Einwilligung vorgenommen werden. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz wird u.a. aus § 180 S. 1 BGB abgeleitet. Der § 180 findet nach Sinn und Zweck auch auf Gestaltungsrechte wie die Kündigung Anwendung. Schwebezustände sollen partout vermieden werden. Über eine entsprechende Anwendung des § 180 S. 2 BGB, der auf die Vorschriften über die Verträge verweist, ist auch bei einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen angesichts der ähnlichen Interessenlage nachzudenken (so auch Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Auflage 2010, § 182 Rn. 5). Wird daher die Einwilligung zur Kündigung durch den Schuldner vom Kündigungsempfänger nicht beanstandet, könnten trotz Gestaltungscharakters der Kündigung die Vorschriften über die Verträge entsprechende Anwendung finden, die eine Genehmigungsmöglichkeit vorsehen. Über diesen Umweg könnte theoretisch eine unter einer Bedingung erteilte Kündigung doch noch Wirksamkeit erlangen.

(2) „Halbstarker“ vorläufiger Insolvenzverwalter

Der „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwalter ist zur Durchführung bestimmter Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 2 InsO berechtigt. Das Insolvenzgericht kann diesem Insolvenzverwalter insbesondere auch die Befugnis vermitteln, bestimmte Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Er ist sodann zu allen Maßnahmen berechtigt, die damit in Verbindung stehen. Insoweit rückt der vorläufige Insolvenzverwalter partiell in die Arbeitgeberstellung ein.

(3) „Starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter

Legt das Insolvenzgericht dem Insolvenzschuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auf, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über, § 22 Abs.1 S. 1 InsO. Sprachlich ist in diesem Fall von einem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter die Rede, dessen Pflichten sich nach § 22 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1-3 InsO bemessen. Natürlich ist ein solcher vorläufige Insolvenzverwalter auch zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen befugt. Er vereint alle Arbeitgeberfunktionen in seiner Person und kann darüber hinaus auch weitere das Arbeitsverhältnis betreffende rechtliche Maßnahmen ergreifen.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellt das Insolvenzgericht auf einer dritten Stufe nach § 56 Abs. 1 S. 1 InsO einen Insolvenzverwalter. Für gewöhnlich wird der zuvor bestellte vorläufige Insolvenzverwalter zum Insolvenzverwalter ernannt. Der Insolvenzverwalter verfügt gemäß § 80 Abs. 1 InsO über eine umfassende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Insolvenzschuldners. Er ist damit auch zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen befugt.

Der richtige Klagegegner im Insolvenzverfahren bei Kündigungen

Die Passivlegitimation wird danach beurteilt, wer die Arbeitgeberstellung innehat. Klagen sind grundsätzlich gegen den Arbeitgeber zu richten. Vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist allein der spätere Insolvenzschuldner Arbeitgeber. Er allein ist zur Kündigung befugt und kann das Arbeitsverhältnis kündigen, ein vorläufiger Insolvenzverwalter kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestellt sein. Erfolgt die Kündigung durch eine andere Person und ist die Kündigungserklärung dem späteren Insolvenzschuldner auch nicht zurechenbar, läge eine Kündigung durch einen sog. „Nichtarbeitgeber“ vor. Die entsprechenden prozessualen Konsequenzen können in jedem guten Lehrbuch nachgelesen werden. Es ist stets zu prüfen, ob die entsprechende Person in Vollmacht des späteren Insolvenzschuldners gehandelt haben könnte.

Sobald der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, ist zu prüfen, ob ein vorläufiger Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht eingesetzt ist. Ist das nicht der Fall, werden die Arbeitgeberfunktionen weiterhin vom späteren Insolvenzschuldner ausgeübt. Die Kündigungsschutzklage muss gegen den Schuldner erhoben werden, dieser ist allein kündigungsbefugt passivlegitimiert. Es ist aber ohne weiteres denkbar, dass der Schuldner als Arbeitgeber kündigt und noch vor Erhebung der Klage ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit der Befugnis zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen bestellt wird. In diesem Fall ist den veränderten rechtlichen Gegebenheiten und dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (und damit der Arbeitgeberfunktionen) auf den vorläufigen Insolvenzverwalter Rechnung zu tragen. Die Klage ist dann gegen diesen zu richten.

Bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters muss gemäß den Ausführungen zu den Stufen des vorläufigen Insolvenzverwalters immer danach differenziert werden, ob ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt und ob er mit der Befugnis zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen ausgestattet ist. Es ist stets danach zu fragen, wer in dieser Hinsicht zumindest partiell die Arbeitgeberfunktion in sich vereint. Der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter tritt vollständig in die Arbeitgeberstellung ein. Bei einer Kündigung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters ist die Kündigungsschutzklage gegen diesen zu richten. Er nimmt die Arbeitgeberfunktionen wahr und ist allein zur Kündigung befugt. Entsprechendes gilt für den „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter mit entsprechender Kündigungsbefugnis und erst recht für den nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingesetzten Insolvenzverwalter. Eine Klage gegen den Insolvenzschuldner wäre ein erheblicher anwaltlicher Fauxpas, auch wenn das BAG großzügig eine Rubrumsberichtigung für zulässig erachtet, sofern das Kündigungsschreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters der Klage beigefügt ist. Die Gefahr lauert an anderer Stelle: Die Angabe einer falschen Adresse kann dazu führen, dass die Kündigungsschutzklage nicht mehr „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter zugestellt wird. Verzögerungen von bis zu zwei Wochen werden von der Rechtsprechung als unschädlich erachtet, alles darüber hinaus kann dazu führen, dass die Frist des § 4 S. 1 KSchG nicht eingehalten ist.

Ist ein „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt, werden die Arbeitgeberfunktionen weiterhin vom Schuldner wahrgenommen. Dieser allein ist passivlegitimiert und zur Kündigung befugt. Eine Kündigung durch den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter ist als eine Kündigung durch einen „Nichtarbeitgeber“ zu werten. In dieser Konstellation ist aber immer zu prüfen, ob der vorläufige Insolvenzverwalter nicht im fremden Namen in Vollmacht des Schuldners die Kündigung ausgesprochen hat. In Zweifelsfällen dürfte es prozessual durchaus Sinn machen, vorsorglich (auch) eine Kündigungsschutzklage gegen den Schuldner zu erheben.

Übergang des Betriebes: Ist ein Parteiwechsel geboten?

Während des Insolvenzverfahrens kommt es nicht selten zu einem Übergang des Betriebes nach § 613a BGB. Ist im Zeitpunkt des Betriebsübergangs eine Kündigungsschutzklage gegen den Insolvenzverwalter rechtshängig, ist der Frage nachzugehen, ob die Klage fortan gegen das betriebsübernehmende Unternehmen gerichtet werden und demzufolge ein Parteiwechsel veranlasst werden muss. Der Betriebsübergang nach § 613a BGB führt auf den ersten Blick dazu, dass der Insolvenzverwalter seine Arbeitgeberstellung und damit auch seine Befugnis zum Ausspruch von Kündigungen verliert. Seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezieht sich ausschließlich auf den Insolvenzschuldner, nicht hingegen auf das Unternehmen des Betriebsübernehmers.

Trotzdem muss die Klage nicht umgestellt werden. Dies gilt zumindest dann, wenn der Betriebsübergang nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage stattgefunden hat. Nach § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO hat die Veräußerung oder Abtretung auf den Prozess keinen Einfluss. Der bisherige Rechtsinhaber führt den Rechtsstreit für den Nachfolger in Prozessstandschaft. Diese Vorschrift bezieht sich nicht nur auf gegenständliche Sachen, sondern ist auch im Fall eines Betriebsüberganges einschlägig. Der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozess als Hauptpartei anstelle des Rechtsvorgängers zu übernehmen, vgl. § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO. Gemäß § 325 Abs. 1 ZPO wirkt das Urteil auch gegen die Personen, die nach Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind.

Eine vollstreckbare Ausfertigung erhält der Kündigungsempfänger in der vorgenannten Konstellation bei einem obsiegenden Urteil gegen den Rechtsnachfolger des Insolvenzschuldners, vgl. § 727 Abs. 1 ZPO. Im Ergebnis müsste der Kündigungsempfänger bei einem Betriebsübergang also weder seinen Kündigungsschutzantrag noch seinen Weiterbeschäftigungsantrag umstellen, würde aber dennoch eine vollstreckbare Ausfertigung hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrages gegen den Betriebsübernehmer erhalten.

Sonderfall: Betriebsübergang nach Kündigung, aber vor Kündigungsschutzklage

Kommt es zeitlich nach der Kündigung durch den Insolvenzverwalter, aber vor der Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Kündigungsempfänger zu einem Betriebsübergang, ist zu prüfen, gegen wen die Kündigungsschutzklage zu richten ist. Nach einem amtlichen Leitsatz des Landesarbeitsgerichts Nürnberg kann die Klage auch dann gegen den Insolvenzverwalter gerichtet werden, wenn der Betriebsübergang nach Ausspruch der Kündigung, aber vor der Klageerhebung stattgefunden hat (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil v. 09.12.2014 – 6 Sa 550/14). Der Betriebsübernehmer würde das Arbeitsverhältnis in gekündigtem Zustand übernehmen und müsste sich das Ergebnis der Kündigungsschutzklage zurechnen lassen. Dem Kläger würde unter Umständen ein Wiedereinstellungsanspruch gegen den Betriebserwerber zustehen. Offen ließ das Landesarbeitsgericht aber, ob die Klage auch gegen den Betriebsübernehmer erhoben werden kann. Interessant wäre in diesem Zusammenhang die exakte rechtliche Begründung dieser Leitsätze, die sich aber nur mittelbar aus dem Urteil ergibt und hergeleitet wird. Zudem hat das Landesarbeitsgericht auf die arbeitsgerichtliche Entscheidung in der ersten Instanz verwiesen und sich der dortigen Entscheidung angeschlossen. Das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts ist allerdings nicht auffindbar.

Es leuchtet rechtlich vielleicht nicht unmittelbar ein, weshalb die Klage gegen den Insolvenzverwalter gerichtet werden kann, wenn die Arbeitgeberstellung in der Zwischenzeit, d.h. nach Ausspruch der Kündigung und vor Klageerhebung, gewechselt hat. In der Konstellation der zwischenzeitlichen Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nach Ausspruch der Kündigung durch den Insolvenzschuldner ist der Insolvenzverwalter als Arbeitgeber schließlich auch der richtige Klagegegner. Aber hat die Arbeitgeberstellung tatsächlich gewechselt? Im Fall eines Betriebsübergangs hat der Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 BGB die Möglichkeit, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Arbeitgeber innerhalb einer Frist von 1 Monat nach Zugang der Unterrichtungserklärung zu widersprechen. Es ist also noch gar nicht absehbar, wer letztlich Arbeitgeber des Arbeitnehmers sein wird. Darüber bestimmt der Arbeitnehmer in freier Entscheidung. In diesem Zustand der Schwebe muss dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zugestanden werden, die Kündigungsschutzklage gegen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber zu richten. Dafür gibt es auch einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt: Die Passivlegitimation beurteilt sich stets anhand der materiellen Rechtslage. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung ist die materielle Rechtslage indes noch völlig offen. Sie wird erst nachträglich durch die Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechts manifestiert oder umgestaltet.

Eine Kündigungsschutzklage gegen den (vorläufigen) Insolvenzverwalter muss dem Arbeitnehmer also rechtlich möglich sein, auch wenn in der Zwischenzeit – d.h. nach Ausspruch einer Kündigung – ein Betriebsübergang nach § 613a BGB stattgefunden hat. Das Ergebnis der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers gegen den Insolvenzverwalter muss sich der Betriebserwerber, wie das Landesarbeitsgericht Nürnberg im Leitsatz richtig festhält, zurechnen lassen. Die Begründung über §§ 265, 325 ZPO ist versperrt, da der Betriebsübergang in unserem Fall nicht nach Rechtshängigkeit eingetreten ist. Wie eine Zurechnung rechtlich begründet werden kann, soll nicht weiter vertieft werden. Eventuell können die §§ 265, 325 ZPO analog angewandt werden, da erst mit der Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechts die Passivlegitimation endgültig auf Betriebsveräußerer- oder Betriebserwerberseite liegt. Dieses Ereignis wird im Normalfall nach Rechtshängigkeit eintreten.

Um als Anwalt diesen Problemen vorzubeugen, bietet es sich an, sowohl gegen den Insolvenzschuldner als auch gegen den Betriebserwerber zu klagen.

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